Brave und BAT:
 Die gleichzeitige Revolution im Digital Advertising und der Vergütung von Publishern

In diesen Tagen ist man als passionierter Online-Marketing-Mensch kaum an BAT vorbeigekommen. Der auf Ethereum basierende Token soll Basis für eine neue, dezentralisierte, auf der Blockhain basierende effektive digitale Open-Source Werbeplattform sein (Orig.: „new, decentralized, open source and efficient blockchain-based digital advertising platform“). Über ein ICO hat Ex-Mozilla-Chef Brendan Eich in der Rekordzeit von weniger als 30 Sekunden 35 Millionen US-Dollar eingesammelt.

Hinter der sehr Buzzword-lastigen Beschreibung versteckt sich aber in der Tat ein sehr spannendes Konzept. Die Kombination von Basic Attention Token und dem neuen Browser Brave könnte sowohl Besucher als auch Publisher wieder zufriedener machen.

The Basic Attention Token is the new token for the digital advertising industry. It pays publishers for their content and users for their attention, while providing advertisers with more in return for their ads.

bat_triad_diagram

Im Großteil der Berichte zu Brave, BAT und dem ICO, lag der Fokus aber leider immer nur auf das geplante Werbenetzwerk. Dieses hat ohne Frage auch Potenzial für eine Kehrtwende zu sorgen. Mindestens genauso spannend ist aber „Brave Payments“. Dieser Teil des Konzept hat bisher viel zu wenig aufmerksam bekommen.

Der wirklich Star des neuen Konzept: Brave Payments

Das Prinzip von „Brave Payments“ ist ganz einfach: Der Browser protokolliert jeden Besuch einer Seite (was heutzutage eh schon jeder Browser macht) und speichert die Aufenthaltsdauer (Time spent). Auf Basis dieses Schlüssels werden die besuchten Seiten dann anteilig bezahlt. Den Gesamtbetrag kann der User frei wählen. Die Kontoaufladung erfolgt über Bitcoin.

Kundige Leser werden jetzt sofort an Flattr denken. Und in der Tat ist das Konzept sehr ähnlich. Auch hier wurden Publisher anteilig vom Guthaben des User bezahlt. Allerdings mit dem großen Unterscheid, dass der User bei Flattr durch einen Klick auf einen Button selbst aktiv werden musste und so sein Geld gezielt verteilt hat. Bei Brave passiert dieser Schritt automatisch, basierend auf dem Surfverhalten.

brave-payments

Ein weiterer großer Unterschied: Bei Brave müssen sich die Publisher vorher nicht aktiv anmelden, geschweige den einen Button auf der eigenen Website einbauen. Brave protokolliert alle Besuche auf jeder Website. Sobald für eine Website ein Guthaben von mehr als $100 aufgelaufen ist, versucht das Team von Brave den Seiteninhaber zu kontaktieren und informiert über das angesammelte Guthaben. Aber man kann sich auch schon heute proaktiv als Publisher anmelden.

Surfen ohne Werbung und Paywall

Damit hat die Lösung von Brave einen ganz eigenen Charme. Werbung wird zwar automatisch direkt vom Browser geblockt, trotzdem müssen Publisher nicht auf Einnahmen verzichten oder verzweifelt Paywalls einsetzen. Jeder Seitenbetreiber wird fair anhand des Nutzungsvolumen durch die Brave-Nutzer bezahlt. Der User selbst muss dafür nichts tun außer regelmäßig Geld in die Wallet ein zu bezahlen, hat aber optional trotzdem die Möglichkeit einzelne Seiten aus der Bezahlung herauszunehmen. Beispielsweise eigene Seiten, Seiten des Arbeitgeber oder Anwendungen die bereits bezahlt werden (SaaS-Dienste).

Allerdings steht die Idee noch am Anfang. Und so bleibt es nicht aus, dass sich die Idee von Brave auch einige Kritik gefallen lassen muss. So krankt das System aus meiner Sicht aktuell noch an vor allem zwei Faktoren:

  1. Die Nutzer müssen verstehen was ein Wallet ist und wie man Bitcoin einzahlt. Für technisch affine Menschen mag das bereits heute eine geringe Hürde sein, für die große Masse stellt dies aber tatsächlich noch ein Problem dar. Revolution geht aber nur mit allen.
  2. Es werden die Seiten am besten bezahlt die eine hohe Aufenthaltsdauer genießen und viele Page-Impressions erreicht haben. Das spiegelt nicht jedes Business-Modell im Web dar. Beispielsweise könnten damit Videoplattformen oder „journalistische“ Inhalte mit Klickstrecken bevorzugt werden.

Das Grundkonzept stimmt jedoch und an den Feinheiten kann man immer arbeiten. Auch wenn Brave nicht die breite Masse erreicht, bleibt eine gute Alternative um ohne schlechtes Gewissen Werbung im Netz zu blockieren und gleichzeitig die Seitenbetreiber zu entlohnen. Ob sich das Modell am Ende rechnet, wird sich wohl erst in ein paar Monaten zeigen. Zumindest konnte Flattr zeigen, dass sich ein solches System trotz Kleinstbeträgen am Ende für Publisher rechnen kann. Jetzt zählt nur die „kritische Masse“.